Brünsteig ist überall
Stadt gegen Land? Land gegen Stadt? Und gibt es irgendwo eine heile Welt?
Warum Brünsteig?
Brünsteig gibt es nicht und Brünsteig ist überall. Paul hat mit Sandra ein Lied über Brünsteig gemacht: Brünsteig heisst Gier. Brünsteig heisst Geiz. Brünsteig heisst Neid. Brünsteig tut mir leid. Ich sehe jetzt, dass in dem schönen Tal, nur Hass und Lüge herrscht. Dass die Menschen sie nicht sehen, die Schönheit der Natur, die Erhabenheit der Berge, Himmel, Sonne und Mond. Nun weiss ich es: Brünsteig heisst Gier. Brünsteig heisst Geiz. Brünsteig heisst Neid. Brünsteig tut mir leid. Die Rassisten sind im Dorf, die Hasser sitzen beim Bier unter sich am Stammtisch. Der Mann schlägt die Frau, das Kind und das Tier und die Zeit schlägt er auch tot. Darum singe ich: Brünsteig heisst Gier. Brünsteig heisst Geiz. Brünsteig heisst Neid. Brünsteig tut mir leid. |
Warum Heimatroman?
Im Roman sucht in fünf Tagebucheinträgen ein unter den Brünsteiger Zuständen Leidender seine Heimat, die er nie fand, die er aber erahnte. Auszug: Wie glücklich war ich mit meinem Onkel. Wie klein muss ich gewesen sein, dass mir die Alp so gross erschienen ist, die Tannen so hoch und schwarz? Wie wenig von der Welt muss ich gesehen und gewusst haben, dass sie mir als Mittelpunkt eines poetischen Weltalls vorgekommen ist? Wie stumm muss ich damals gewesen sein, dass ich in dem satten Wiederkäuen der Kühe im Stall nichts entgegenzusetzen hatte als ein wortloses, aber übermächtiges Gefühl der Geborgenheit? Wie gläubig im weitesten Sinne muss ich gewesen sein, dass mir nie der Schimmer eines Zweifels kam, mein Onkel würde nicht ewig hier oben sein und mich nicht für alle Zeit unter seiner Fürsorge behalten? Wie naiv und blind vor Vertrauen muss ich gewesen sein, dass mir nie der Gedanke gekommen war, auch diese kleine Welt könnte vom Krieg bedroht werden, Luft und Wasser könnten verschmutzt werden, der Wald kränklich und der Boden – der uns nährte – übersäuert und vergiftet. Und wie neugierig und hungrig nach Welt – trotz des umhüllenden Bachrauschens – muss ich gewesen sein, wenn schon ein verirrter Tourist eine Sensation war und ich mit jedem Hausierer fortgezogen wäre. Es ist mir – dank meines Onkels und dank der Alp – gelungen, Brünsteig zu überleben. |
Warum fast erotisch?
„So wird in Wahrheit der den Kindern aufgezwungene Schutz- und Schonraum Kindheit zu einem von den Erwachsenen bewachten Gefängnis“ (Gürtler 1978). Kindliche Erotik wird in unserer Gesellschaft tabuisiert. Der Mythos vom unschuldigen, asexuellen Kind wird benützt, um Kindern ihre eigenen sexuellen Gefühlen und Wünschen abzusprechen. Jeder noch so kleine Tabubruch gibt Anlass zu Besorgnis und wird mit Strafe belegt. Kinder dürfen selten nackt herumlaufen. Sie werden blossgestellt, wenn sie zu viel Interesse für den eignen Körper und den eines anderen Kindes zeigen. Masturbation sollte möglichst versteckt geschehen. Sollte ein Kind sexuelles Interesse an einem Erwachsenen zeigen, so wird dies als Beweis dafür gesehen, das es missbraucht worden ist. So lernen Kinder, den eigenen Körper als Ort gefährlicher, schändlicher und schmutziger Triebe zu erleben, die es zu unterdrücken gilt. Unterdrückte Sexualität generiert eine innere Wut. Die erotischen Impulse wollen nicht verschwinden, obwohl es verboten ist, ihnen Ausdruck zu verleihen. Diese Impulse finden keinen verbalen Ausdruck und wandeln sich in sexuelle Aggression. Die Betroffenen leiten diese um, weg von den sie umgebenden Menschen, die für die Unterdrückung verantwortlich sind, denn es ist schwierig, ohne Billigung und Unterstützung der Menschen zu leben, die man liebt. So wird die sexuelle Aggression auf Feinde umgeleitet. Die Unterdrückung des Eros der Kinder führt im Endeffekt dazu, gewalttätige, innerlich leere Menschen heran zu bilden, die ihren wahren Bedürfnissen entfremdet sind und die gerne bereit sind, verschiedene Arten von Feinden zu verfolgen. Eine Gesellschaft, welche die Erotik unterdrückt, benötigt Feindbilder und huldigt ihnen. |